Unter dem Begriff Yoga wird in unserer westlichen Welt etwas anderes verstanden als dort, wo Yoga urspürnglich herkommt. Ich habe bereits einmal darüber geschrieben, wie unterschiedlich “Yoga” gedeutet und geübt werden kann (siehe Was ist Yoga?) und möchte dies heute erweitern und den Begriff Hatha Yoga hinzu nehmen. Ich war auf einer wunderbaren Fortbildung von Anna Trökes, es ging um Hatha Yoga und die philosophischen Grundlagen dafür. Hatha Yoga gilt bei uns im Westen als der “körperliche” Stil des Yoga, was ein Grund dafür ist, dass zum Beispiel Krankenkassen Kurse bezuschussen, wenn sie mit Hatha betitelt werden (natürlich nicht alle Kurse sondern nur die zertifizierten). Das klingt ein bisschen nach “was körperlich ist im Yoga, ist gut”. Aber eigentlich ist das Körperliche nur ein sehr kleiner Anteil von Yoga. Und auch Hatha ist kein Stil, der ausschließlich den Körper in den Vordergrund stellt, sondern einer, der am Körper ansetzt – und dann viel weiter geht, eben genau in die Bereiche, die Yoga generell neben den Körperhaltungen (der Asana-Praxis) ausmachen. Insofern hatte ich den Eindruck, dass “Hatha” ein Begriff ist, der fast schon das gleiche meint wie Yoga in seiner ursprünglichen Bedeutung. Es ist ein Überbegriff, der vereint, anstatt abzugrenzen. Alle Yoga-Stile, die am Körper ansetzen, gehören sozusagen zu Hatha-Yoga. Die Frage ist nur: Geht es danach auch weiter, über das Körperliche hinaus?
Das Ziel von Hatha-Yoga und eben von Yoga im ursprünglichen Sinn ist es nicht, sich verknoten zu können, auf einer Hand stehend den großen Zeh ins Ohr stecken zu können und 108 Sonnengrüße ausführen zu können. Das Ziel ist, zu sich selbst zu finden. Sich zu spüren und in den Kontakt zum Innersten zu kommen. Die Innenschau zu etablieren um das über den Körper hinaus gehende Wesen zu erkennen, das wir sind. Diese Erfahrung verändert uns und hilft uns im weltlichen Leben weiter. So ist (Hatha-)Yoga ein ganzheitlicher Weg, mit dem Leben umzugehen, sehr konkret anwendbar in allen Lebenslagen.
Und zwar meiner Meinung nach nicht in erster Linie (aber eben auch) durch die Asana (Körperhaltungs)-Praxis, sondern durch den Umgang mit dem Atem, dem Geist, den Emotionen, den wir in Meditation, Atemtechniken und Energielenkungen üben und die Erfahrungen, die wir dabei machen.
Das Verhältnis der Asana-Praxis zu diesen und anderen Bestandteilen von Yoga lässt sich so verbildlichen:
Der kleine Teil des Eisbergs, der oben aus dem Wasser herausschaut ist Asana-Praxis, also Körperhaltungen und -Bewegungen. Wer denkt, das sei schon alles was Yoga ausmacht, hat sich geirrt, denn der viel größere Teil des Eisbergs liegt unter der Wasseroberfläche und dieser Teil steht für den ganzen “Rest von Yoga”. Dieser Teil bietet noch viel mehr als Körperübungen, sowohl in der Menge als auch von der Tiefe her, in der wir berührt werden wenn wir uns auf diesen Bereich einlassen.
Auch die Art und Weise WIE wir Asana-Praxis betreiben wird von diesem unteren Teil des Eisbergs namens Yoga beeinflusst. Turnen wir ehrgeizig ohne Gefühl für die eigentlichen Bedürfnisse des Körpers und unserer aktuellen Energiesituation drauflos? Oder spüren wir uns? Fühlen wir uns ein in eine Bewegung, Haltung, in unseren Körper, unseren Atem, in den Energiefluss im Körper? Spürst Du wie Prana durch Dein Gewebe fließt, durch Faszien, Muskeln, Knochen?
Mal ehrlich, dieses feine Spüren, ist das nicht vielleicht sogar eher dann möglich, wenn wir statt herausfordernder Flows und Standhaltungen die einfachen Bewegungen praktizieren? Katze-Kuh im Vierfüßlerstand zum Beispiel lässt sich erforschen, erspüren, minutenlang, es gibt immer neues zu entdecken in dieser simplen Bewegung. Na dann los:
Hallo Hatha-Yoga!